Achtmalige Europameister, zweimalige Weltmeister und die olympische Goldmedaille: Die Bilanz der deutschen Fußballnationalmannschaft liest sich nicht nur atemberaubend – sie ist es auch.
Allerdings ist hier nicht von der Nationalmannschaft der Männer die Rede, sondern es ist die Frauennationalmannschaft, welche die obigen Titel angesammelt hat.
Die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen ist ohne Diskussion eine der beiden Gründe, weshalb der DFB als der größte Sportverband und als eine der bekanntesten Fußballverbände der Welt gilt. Die deutschen Fußballerinnen, ganz gleich welcher Generation, sind Ikonen des Sports – und werden dennoch wie die lauten und nervigen Schulkinder von nebenan behandelt.
Diese Behauptung wird vor allem unterstrichen, wenn man sich die Prämien und Gehälter von Fußballern und Fußballerinnen einmal im Vergleich ansieht.
Der DFB hat im Jahr 2014 für den Sieg bei der WM 300.000 Euro an Prämien für die Männernationalmannschaft ausgeschüttet, pro Kopf wohlgemerkt.
Die Nationalmannschaft der Frauen erhielt nach harten Verhandlungen die Zusage, 60.000 pro Spielerin zu erhalten, wenn sie die aktuelle EM in England gewinnen.
Das zweiterfolgreichste Fußballland der Welt also, ist auch weiterhin nicht bereit, beiden Geschlechtern gleichhohe Prämien auszuzahlen. Es wird Zeit für eine Spurensuche.
„Misma pasión“ – Dieselbe Leidenschaft
Der Begriff „misma pasión“ ist in Spanien in den letzten zwei Jahren zu einem geflügelten Begriff gegen Sexismus und Differenzen im Sport aufgestiegen. Der Hintergrund dieses Spruches liegt in einem sexistischen Angriff auf Twitter gegenüber der Torhüterin Misa Rodriguez, die bei Real Madrid unter Vertrag steht und von allen Seiten im spanischen Sport Unterstützung gegen Sexismus erfuhr.
Als Gegenmaßnahme diente ihr und ihren Unterstützern eine ganz einfache Tatsache:
Dieselbe Leidenschaft
Generell ist diese Feststellung für jede Berufung der Welt gültig – Frauen sollten generell dieselbe Entlohnung wie Männer erhalten – im Sport lässt sich diese Leidenschaft allerdings recht simpel aufzeigen.
Training seit der jüngsten Kindheit, Rückschläge verarbeiten, der Kampf mit dem eigenen Körper führen zu einem Hamsterrad ähnlichen Grind, der sich in keinster Weise von demjenigen der Männer unterscheidet. Es ist tatsächlich dieselbe Leidenschaft, die Frauen und Männer antreibt.
Wieso werden Frauen im Fußball allerdings bis heute belächelt und in sozialen Netzwerken und bei Stammtischgesprächen gar teils immer noch rüde beleidigt?
Weshalb ist es immer noch in Ordnung, öffentlich gegen diesen Fußball, der im Kern genau dasselbe Spiel ist wie jener der Männer, zu schießen?
Weil der Aspekt derselben Leidenschaft in unseren Köpfen, den Köpfen des Publikums noch immer nicht angekommen zu sein scheint.
Die einfache Begründung der meisten Menschen die ein „Equal Pay“ als zu „woke“ und unangebracht ansehen, lautet meistens, dass die wirtschaftliche Rentabilität ja nicht gegeben sei. Es ist der klassische „Angebot und Nachfrage“ nonsense, eine neoliberale Ausrede für unliebsame Gespräche.
Im Jahr 2022 existieren Oberliga Vereine im Männerfußball, die mit Gesamtbudgets im oberen sechsstelligen, bis zum niedrigen siebenstelligen Bereich arbeiten und rechnen.
Es existieren Bezirksligaspieler- und Trainer, die ihre 1.000 Euro im Monat verdienen.
Merkwürdigerweise spricht bei diesen Tatsachen niemand von der, definitiv, fehlenden Wirtschaftlichkeit.
Wir sehen eine Verschiebung des Amateurfußballs in Deutschland in Sphären der Semiprofessionalität im Männerbereich, während DFB, Landesverbände und DFL nicht zulassen, dass der breite Frauenfußball überhaupt erst in den Profibereich aufsteigen kann.
Die durchschnittliche Bundesligaspielerin kann sich von ihrem Gehalt nicht ihren Alltag finanzieren – ganz zu schweigen vom Leben nach der Karriere.
Während deutsche Bundesligaspieler bei einigermaßen cleveren Verhaltensweisen gut über die Runden kommen, müssen deutsche Bundesligaspielerinnen in der Regel Zweitjobs führen, ein Studium versuchen abzuschließen, oder eben absolute Superstars sein, um durchzukommen.
Selbstverständlich könnte man jetzt wieder auf die Neoliberale Aussage zurückkommen, wenn man jeden menschlichen Aspekt ausblendet und vergisst, was Leidenschaft bedeutet.
Der Anspruch der Frauen ist nicht das Problem, das Problem liegt darin, dass dieser Anspruch von außen nicht gesehen wird. Die Frauenbundesliga hat durchschnittlich ca. 800 Zuschauer pro Spiel im Stadion, während die Männerbundesliga 21.000 Zuschauer im Schnitt hat. In Spanien sind die Zahlen im Fußball der Frauen im Übrigen deutlich höher.
Weshalb ist diese Differenz so groß?
Weil wir die Leidenschaft nicht werten, sondern subjektiv das Bewerten was wir sehen und sehen möchten.
Der Fußball der Frauen und der Männer wird mit denselben Regeln ausgetragen, es ist im Kern derselbe Sport, dasselbe Spiel. Und dennoch ist es gewöhnlich, die Spiele der Frauen schlechter zu bewerten als die Spiele der Männer.
Dahinter jedoch, ganz gleich wie hoch die Geschwindigkeit des Spiels im Endprodukt sein mag, opfern Frauen wie Männer für den Fußball genau dasselbe: Ihre Freizeit, ihren Alltag und im extremen Fall ihre Gesundheit.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung der Sportlerinnen und Sportler, insbesondere der Sportlerinnen, geht teilweise überhaupt nicht auf, es existieren zig Beispiele von Nationalspielerinnen die ihre Karrieren frühzeitig beendeten weil Verletzungen oder die Familienplanung dazwischenkamen, ersteres geschieht auch, wenn auch deutlich seltener ausgeprägt in dieser Form, bei den Männern, letzteres ist absolut ausgeschlossen.
Frauen opfern also im Vergleich also sogar mehr als ihre männlichen Kollegen, spielen denselben Sport mit weniger Benefits und verdienen trotzdem noch immer weniger als ihre Kollegen, aus dem einzigen Grund der Wirtschaftlichkeit?
Und an diesem Punkt nun wird es schwierig, weil die Wirtschaftlichkeit im Neoliberalen Kapitalismus das Alpha und Omega jeder Diskussion darstellt.
Allerdings sollten wir uns eines klarmachen. Wirtschaftlichkeit beruht auf reinen Zahlen, während Leidenschaft nicht gemessen werden kann. Dennoch ist das eine künstlich aufgebaute Illusion, das andere der tägliche Weg ins Training und die tägliche Arbeit einer jeden Sportlerin und eines jeden Sportlers.
Ich würde zum Thema Wirtschaftlichkeit gerne eine Gegenfrage in den Raum werfen, die uns alle beschäftigen sollte: Wieso ist es unwirtschaftlich den Frauen ein ähnliches oder gleiches Gehalt wie den Männern im Fußball zu bezahlen, während es wirtschaftlich sein soll, hunderte Millionen von Euro für einen einzigen Fußballspieler auszugeben?
Wenn der Männerfußball so wirtschaftlich für alle wäre, wieso gehen Vereine bankrott und warum werden Turniere an Diktaturen verkauft?
In dieser Hinsicht vermischt der Aspekt der Wirtschaftlichkeit mit einem weiteren: Dem Aspekt der Selbstlüge. Wir alle wissen, dass der Fußball und Spitzensport nicht wirtschaftlich ist, dass jenes Argument also eigentlich totaler nonsense und Blödsinn ist, allerdings fällt uns das erst auf, wenn eine weitere Gruppe dasselbe fordert.
Und während wir also uns weiter einreden dass unsere Lieblingsvereine finanziell schon wissen würden was sie tun, lassen wir eine Gruppe von Menschen unter dieser Selbstlüge leiden weil uns erst durch die Anhebung dieser Gehälter auffällt was gerade im Nationalsport Nummer 1 geschieht.
Der DFB ist heute weltweit bekannt und geachtet für ZWEI großartige Nationalteams, die beide mit derselben Leidenschaft ihren Sport betreiben, die es beide verdienen dasselbe zu verdienen – die beide denselben Respekt von uns, den Zuschauerinnen und Zuschauern erhalten sollten – ganz gleich, was wir präferieren.
Mit der aktuellen Position jedoch wird der DFB auf lange Sicht gegen die Konkurrenz aus Spanien, Frankreich, England, Kanada und den USA verlieren, weil wir diese Diskussionen lieber mit hanebüchenen Aussagen beiseiteschieben, anstatt uns unsere eigene problematische Position zu überdenken.
Nationalspielerin Dzenifer Maroczan erlitt vor einigen Jahren im Training ihres Vereins Olympique Lyon eine Lungenembolie und kämpfte sich zurück in ihren Sport, sie fehlt bei der aktuellen EM aufgrund eines Kreuzbandrisses. Sie opferte ihre Gesundheit für den Sport, den sie lebt.
Es ist dieselbe Leidenschaft.
Maroczan, Popp und Co. verdienen deshalb die gleichen Prämien und dasselbe Gehalt wie ihre männlichen Kollegen und es ist unerklärlich und heuchlerisch es ihnen zu verwehren.